Briefe
In seinen Briefen erwähnt Max Beckmann das Gemälde am 11. Februar 1938 (Nr. 675, S. 29), [(?) Juli [?] 1938] (Nr. 685, S. 36), 25. Juli 1939 (Nr. 704, S. 58), 19. August 1939 (Nr. 706, S. 61), 22. Juni 1945 (Nr. 747, S. 92), 14. November 1945 (Nr. 755, S. 102), 6. Dezember 1946 (Nr. 790, S. 139) und 8. April 1947 (Nr. 807, S. 159; siehe Anmerkungen S. 363, 373, 378, 382, 389, 390, 406, 410, 427, 436, 532; ebenfalls Anmerkungen zu den Nachträgen (Band I und II) in Band III, S. 532).
Versuchung des heiligen Antonius
Temptation / Temptation of St. Anthony
Atelier Max Beckmann
Paris / Santa Barbara, Stephan Lackner (1937 bis 1977)
BOSTON Museum of Fine Arts (1956 bis 1966; Leihgabe)
BREMEN Kunsthalle (1967 bis 1977; Leihgabe)
MÜNCHEN Bayerische Staatsgemäldesammlungen (seit 21. Mär 1977; Kauf)
Quellen
GÖPEL ERHARD / GÖPEL BARBARA 1976
Provenienzforschung in MÜNCHEN Bayerische Staatsgemäldesammlungen
MÜNCHEN Pinakothek der Moderne 2008, S. 263.
MoMA Curt Valentin Albums - Black 1
Zeitraum | Preis | Notiz |
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15. Mai 1984 - 29. Jul 1984 | 3.000.000,00 DEM | Versicherungswert gemäß ZA VA 10198 - Max Beckmann-Retrospektive 1984 - Leihscheine |
28. Apr 1941 - 17. Mai 1941 | 2.500,00 USD | Angebotspreis gemäß handschriftlicher Annotation Curt Valentins bei Ausstellung NEW YORK Buchholz Gallery 1941 |
03. Jan 1940 - 27. Jan 1940 | 3.500,00 USD | Angebotspreis für Ausstellung NEW YORK Buchholz Gallery 1940a |
Wörtlich zitiert nach Göpel Erhard / Göpel Barbara 1976, S. 290:
Schrift auf dem Mittelbild unten, auf einem geöffneten Buch: IM ANFAN(g) WAR DAS WORT (= Die Bibel, I. Vers des Johannes-Evangeliums), sowie links davon: SATURN. Auf dem rechten Flügel, auf der Mütze des Pagen: (Kem)PINSKI (= Name eines bekannten Berliner Restaurants, heute Hotel). MB nannte das Triptychon im Gespräch auch «Versuchung des Heiligen Antonius» (nach Mitt. von MQB 1966; siehe auch den von Reifenberg verwendeten Titel, sowie Schiff S. 269). Das Triptychon ist eine aus Beckmanns Imagination gewachsene Schöpfung, unabhängig von der Heiligenlegende oder deren Darstellungen in der bildenden Kunst (Bosch, Grünewald, Bruegel u.a.). Bildgeschehen und einzelne Figuren sind aus Beckmanns Beschäftigung mit Philosophie und Theosophie, aus seiner Weltanschauung, erklärbar. Sie sind vieldeutig und haben zu sehr verschiedenartigen Interpretationen Anlass gegeben.
Die Benennung des Triptychons durch MB verweist auf ein von ihm wiederholt gelesenes Buch, «Die Versuchung des Heiligen Antonius» von Gustave Flaubert (La Tentation de Saint Antoine, 1874; deutsch zuerst 1909. MB hat - lt. Schiff - nur die dritte, endgültige Fassung gekannt). Flaubert hat sich, wie Beckmann, mit Gnostizismus und Mystik befasst. In der Dichtung erscheinen dem Heiligen in dramatischer Abfolge die Gottheiten vorchristlicher Kulte und Religionen. Dialoge des Antonius mit den Gestalten seiner Visionen wechseln mit szenischen Anmerkungen von bildhafter Präzision und Eindringlichkeit. In dem Buch fand MB einen Fragenkomplex, der ihn beschäftigte, in der Sprache Flauberts artikuliert: Die Konfrontation des Menschen mit den Göttern im Sinne gnostischer Lehren, einer Verflechtung christlicher Gedanken mit orientalischen und spätantiken Mythen.
MB hat die Dichtung Flauberts im Lauf seines Lebens unterschiedlich beurteilt. Er hat das Buch schon 1923 gekannt und geschätzt (nach Mitt. von Carola Roth, siehe Bemerkung zu Nr. 222). 1935, ein Jahr vor der Entstehung des Triptychons, bekam MB den Band in der Übersetzung von F.P.Grevc (Bruns Verlag, Minden o. J.) auf eigenen Wunsch von Rudolf von Simolin geschenkt. S. war ein Kenner der Werke Flauberts (siehe Bemerkung zu Nr. 348). Auf das Vorsatzpapier schrieb MB (1935): «Fehler des Buches / Geringe Gestaltung des Antonius / Vielesserei [sic] und doch nicht genug - Keine Stellungnahme - daher ein unvollkommenes Nachschlagebuch - Einige schöne Lyrik -», sowie auf S. 234: «Nicht die Entdek-kung / die Steigerung des Denkens macht die Unendlichkeit». Das Exemplar (im Besitz von MQB) enthält Anstriche und weitere kritische Marginalien von MB (teilweise von Fischer zitiert). Während des Krieges hat MB «Die Versuchung des Heiligen Antonius» unter den Werken Flauberts am meisten geschätzt, was Erhard Göpel, ein Flaubert-Leser, aus Gesprächen mit MB wusste. 1946 dachte er daran, das Buch «für Curt Valentin ‹Publishers›» zu illustrieren (lt. Brief von MB an Valentin vom 4. Dezember 1946, im Besitz des Museum of Modern Art New York). Am 15.Februar 1946 heisst es im Tagebuch «Lese wieder mal Tentation von Flaubert-» (ohne Kommentar; siehe auch 16.Febr.).
Eine mündliche Mitteilung von MQB, wonach auf dem linken Flügel eine Szene aus der Perseus-Sage, im Vordergrund eine Amazone dargestellt sei, geht, wie der Hinweis auf Flaubert, auf MB zurück. Spätere Interpreten verweisen auf autobiographische Zusammenhänge, auf eine indische Legende, auf Flaubert, Schopenhauer, indische und gnostische Philosophie. Fischer, der sich am eingehendsten mit dem Triptychon befasst, sieht insgesamt keinen inneren Zusammenhang mit der Dichtung Flauberts. Er beruft sich auf die Marginalien von
1935.
In der Golden Gate Exposition San Francisco 1939 wurde das Triptychon in der Abteilung Contemporary European Art mit dem I. Preis ausgezeichnet, der mit 1000 Dollar dotiert war.
Es gibt Hinweise, dass die Figur des gefesselten Künstlers im Mittelteil den niederländischen Künstler Willem Arondeus zeigt. Vgl. LEIPZIG Museum der bildenden Künste 2011, S. 340.