Briefe
In seinen Briefen erwähnt Max Beckmann das Gemälde am [11. November 1912] (Nr. 60, S. 75; siehe Anmerkungen S. 421, 425).
Rettungsboote
Sinking of the Titanic
Atelier Max Beckmann
Berlin / Gauting, Minna Beckmann-Tube und Berlin / Gauting / Ohlstadt / Murnau, Peter Beckmann (27. Dez 1950 bis 28. Mai 1956)
Saint Louis, Morton D. May (28. Mai 1956 bis 1983)
Saint Louis Art Museum (seit 1983; Vermächtnis)
Quellen
GÖPEL ERHARD / GÖPEL BARBARA 1976
ROTH LYNETTE 2015
Bemerkungen
Morton D. May erwarb des Gemälde zusammen mit 106 Szene aus dem Untergang von Messina für 10.331,75 USD)
Zeitraum | Preis | Notiz |
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15. Mai 1984 - 29. Jul 1984 | 150.000,00 DEM | Versicherungswert gemäß ZA VA 10198 - Max Beckmann-Retrospektive 1984 - Leihscheine |
Wörtlich zitiert nach Göpel Erhard / Göpel Barbara 1976, S. 115f.:
Am 15. April 1912 lief das als unsinkbar geltende englische Passagierschiff «Titanic» bei seiner ersten Fahrt nach New York auf einen Eisberg und sank. Mehr als 1600 Menschen ertranken. Die Nachricht wurde in Berlin mit Extrablättern verbreitet. Mehrere Tage füllten Meldungen von der Katastrophe und Berichte der Überlebenden die Titelseiten der Berliner Tageszeitungen :
«Die Mehrzahl (der Rettungsboote) war seetüchtig geblieben trotz des Zusammenpralls. Frauen und Kindern wurde Vortritt gegeben. Herzzerreissende Szenen spielten sich ab, als Gattinnen, Mütter, Schwestern und Bräute von ihren Lieben Abschied nahmen und auf die ihnen zugewiesenen Plätze in den Booten stiegen. Als die Titanic tiefer sank, wurden einige Boote eingedrückt, ehe sie von den Daviten losgemacht werden konnten. Einige wenige wurden bei den Bemühungen sie flottzukriegen, umgeschlagen.» — «Wir schwammen auf der weiten See. Das Boot war überfüllt. Viele mussten stehen. Es war eine klare, bitterkalte Sternennacht, und die mangelhaft bekleideten Leute litten schwer. Von allen Seiten hörte man die grässlichen Schreie von Hunderten von Menschen, die in dem kalten Wasser mit den Wellen kämpften und um Hilfe schrieen.» - «Als die letzten Boote abstiessen, war die Titanic glänzend erleuchtet» - «sich als schwarze Masse gegen den Horizont abzeichnend.»
Am nächsten Morgen sahen die Passagiere eines zur Rettung der Überlebenden herbeigekommenen Schiffes zwischen den Eisbergen «...ein kleines weisses Boot, das lauter Frauen an Bord hatte, die merkwürdig ruhig waren. Manche von ihnen waren kaum bekleidet, andere in Balltoilette. Ihre Gefasstheit wirkte wahrhaft beängstigend. Plötzlich erschienen von allen Seiten andere Boote. Alle Geretteten machten einen unheimlichen Eindruck durch die stoische, stumpfe Ruhe, als ob ihr Schmerz nicht grösser werden, sie nichts Schlimmeres mehr erdulden könnten.» (Berliner Lokal-Anzeiger Morgen- und Abendausgaben vom 17. und 19. April 1912.)
Unter dem Eindruck dieser und eventuell weiterer Zeitungsberichte dürfte MB den Entschluss gefasst haben, den «Untergang der Titanic» zu malen (vgl. Einzelheiten der Darstellung). Das Schiff am Horizont gibt die Silhouette der «Titanic» naturgetreu wieder. Hierfür könnte eine Abbildung im Berliner Lokal-Anzeiger (Beilage vom 17. April 1912) als Vorlage gedient haben, die das Schiff unversehrt, beim Antritt der Reise, zeigt.
Von den - vermutlich zahlreichen - Figurenstudien zu dem Gemälde sind bekannt: Sitzende Frau nach links, (Kreide-) Zeichnung, bez. Beckmann 12, Abb. in Kunst und Künstler 11 (1913) S. 302; (die dort auf S. 305 abgebildete Zeichnung ist sicher ebenfalls eine Studie zu «Titanic»). - Bleistiftzeichnung eines sitzenden Mannes, Rückenansicht nach rechts, wohl zu der Figur am Bootsrand unten rechts (Hamburg, Privatbesitz; Rückseite einer 1912 datierten Aktzeichnung). - Frau mit Kind (Besitz Peter Beckmann). - Vgl. auch die im Hamburger Hafen, wohl 1912, entstandenen Zeichnungen nach Booten und Barkassen mit Menschen (München, Staatliche Graphische Sammlung und Peter Beckmann). Weitere Studien dürften sich im Nachlass befinden (siehe Göpel, Beckmann der Zeichner, S. 9).
Einzelheiten in der oberen Bildhälfte wurden möglicherweise von MB überarbeitet (vgl. Atelierfoto, Abb. S.I/564). Das Gem. wurde anfangs der fünfziger Jahre von Gertrud Weingarten, Herrsching (Ammersee), restauriert.
Glaser (1913 a.a.O.) setzte «Untergang der Titanic» mit dem «Floss der Medusa» von Géricault (Clément 97) in Parallele. Vgl. auch «Schiffbruch des Don Juan» und «Jesus auf dem See Genezareth» von Delacroix (Roubaut 707 und 1215) sowie Lebensdaten 1907. — Mitt. von Kasimir Edschmid zitiert bei Nr. 146.
Das Gemälde ist bei Reifenberg zweimal verzeichnet, R 138 (Rettungsboote), R 139.
Vgl. die Skizze in ZEILLER 2010, drittes Skizzenbuch Nr. 32r.